Dr.in Heidi Hirschfeld

Kontakt

Eberhard Karls Universität Tübingen

Institut für Erziehungswissenschaft |Abteilung Sozialpädagogik |
GRK Doing Transitions

Münzgasse 30
72070 Tübingen

heidi.hirschfeld(at)gmx.de

Heidi Hirschfeld studierte Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Sozialpädagogik in Erfurt und Tübingen (2004–2009). Während des Studiums war sie in unterschiedlichen Forschungsprojekten tätig sowie Tutorin für quantitative und qualitative Forschungsmethoden. Nach ihrem Masterabschluss arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen der Evaluation der Berufseinstiegsbegleitung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen (2009–2014) und sammelte daran anknüpfend praktische Erfahrung als Schulsozialarbeiterin. Seit 2015 ist sie Promotionsstipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung und seit 2017 assoziierte Kollegiatin des Graduiertenkollegs Doing Transitions an der Eberhard Karls Universität Tübingen. In diesem Rahmen promovierte sie zum Thema: „Die (Ohn-)Macht der Hilfe im Übergang. Relevanz sozialpädagogischer Hilfe für die Herstellung und Gestaltung von Übergangen im Kontext ungleicher Bildungschancen.“ Durch die Rekonstruktion von Hilfeverläufen junger Erwachsener im Übergang Schule – Beruf will sie verdeutlichen, wie Übergänge durch sozialpädagogische Hilfe hergestellt und gestaltet werden. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Übergänge junger Erwachsener, Benachteiligung und sozialpädagogische Hilfe. 

Die (Ohn)Macht der Hilfe im Übergang. Relevanz (sozial)pädagogischer Hilfe für die Herstellung und Gestaltung von Übergängen im Kontext ungleicher Bildungschancen.

In der Dissertation wird die Frage nach der biografischen Relevanz (sozial)pädagogischer Hilfen im Übergang von der Schule in Ausbildung für ‚benachteiligte‘ Jugendliche bearbeitet und unter der Forschungsperspektive Doing Transitions analysiert, wie Übergänge durch (sozial)pädagogische Hilfsangebote und durch deren Nutzung seitens der Jugendlichen mitgestaltet und hergestellt werden. 

Das Erkenntnisinteresse fußt dabei auf der Überlegung, dass Soziale Arbeit qua ihres Auftrages, Benachteiligungen junger Erwachsener durch pädagogische Unterstützungs- und Hilfsangebote zu kompensieren versucht und damit einen Beitrag zur Überwindung ungleicher Bildungschancen leisten will. Gerade vor dem Hintergrund sozialer Ungleichheit und im Kontext umstrittener sozialpädagogischer Übergangshilfen – die zwar auf die Integration junger Erwachsener in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zielen, die jedoch gleichzeitig geringe Anschlussperspektiven, Stigmatisierungen und Cooling-Out-Prozesse hervorrufen – werden die Möglichkeiten und Grenzen sozialpädagogischer Erziehung, Bildung und Hilfe diskutiert. 

Die in diesem Zusammenhang stehenden erkenntnisleitende Fragen, über die letztlich auch Aussagen zur Prozesshaftigkeit pädagogischer Hilfen, deren Nachhaltigkeit sowie möglicher Risiken und Grenzen pädagogischer Hilfen getroffen werden sollen, sind: Wie wird (sozial)pädagogische Hilfe biografisch relevant? Inwiefern wird (sozial)pädagogische Hilfe auch als Aspekt von Lebensbewältigung gedeutet? Wie wird (sozial)pädagogische Hilfe von Jugendlichen wahrgenommen? Inwiefern befördern sozialpädagogische Hilfeleistungen das Zurechtkommen mit begrenzten Wahlmöglichkeiten oder sind sie als Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten i. S. von sozialer Mobilität zu deuten? 

Anhand narrativ biografischer Interviews mit jungen Erwachsenen wurde erarbeitet, welche Merkmale und Rahmenbedingungen hilfreicher Unterstützung sich aus Sicht der jungen Erwachsenen identifizieren lassen und inwiefern sozialpädagogische Hilfe zur Herstellung von Chancengleichheit im Übergang fungieren kann. Dafür wurden im Längsschnitt erhobene, narrativ-biografische sowie problemzentrierte Interviews mit jungen Erwachsenen, ausgewertet. Die befragten Jugendlichen waren Teilnehmer*innen eines übergangsbezogenen Unterstützungsinstrumentes[1]und wurden zu drei unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten (2010, 2011, 2013) interviewt. 

Die Auswertung erfolgte in Kombination verschiedener Methoden und Methodologien: Zum einen wurde eine biografische Fallrekonstruktion, die um einen diskurskritisch sensibilisierten Blick erweitert wurde, durchgeführt. Durch diese Erweiterungwurde ermöglicht, über biografisches Sprechen auch auf diskursiv artikulierte Lebenslaufvorstellungen und -erwartungen einzugehen. Damit kann es einerseits gelingen, biografisches Sprechen als Ausdruck der individuell angeeigneten und umgewendeten Adressierungen der Jugendlichen resp. jungen Erwachsenen zu verstehen. Andererseits eröffnet sich über diesen Zugang auch die Möglichkeit, Rückschlüsse auf die Adressierungen formulierenden pädagogisch handelnden Akteur*innen sowie die darin wirksam werdenden institutionellen Regulierungen zu ziehen.

In der Auswertung wurde dies umgesetzt, indem zunächst zwei Biographien mittels biografischer Fallrekonstruktion nach Rosenthal (1995[2], 2005[3]) rekonstruiert wurden. Damit konnten aus einer individuellen Sichtweise die biografischen (Be)Deutungen des (sozial)pädagogischen Hilfeangebots rekonstruiert, subjektive Aneignungs- und Modifikationsprozesse herausgearbeitet sowie die Integration des Hilfeangebots in den Lebensverlauf nachvollziehbar gemacht werden. Die diskursive Erweiterung erfolgte indem, basierend auf den rechtlichen Grundlagen des Förderinstruments sowie ausgehend von den Expert*inneninterviews mit pädagogischen Akteur*innen, in den Fallrekonstruktionen Adressierungen der institutionellen Akteur*innen herausgearbeitet wurden. Grundsätzlich ist dieses Vorgehen inspiriert von den aktuell diskutierten theoretischen und method(olog)ischen Verbindungslinien zwischen Biografie und Diskurs (vgl. Spies 2017[4]; Truschkat 2018[5];Spies/Tuider 2017[6]; Bogner/Rosenthal 2017[7]).

Durch die diskurskritisch sensibilisierte Biografieanalyse konnten Übergangs- und Hilfeverläufe der Biograph*innen nachgezeichnet werden, wobei sich zeigte, dass die Wahrnehmung von Hilfe aus Sicht von Jugendlichen eng mit biografischen Erfahrungen verknüpft sind, was sich auch in der Annahme und Zurückweisung von Hilfe niederschlägt sowie Aneignungsprozesse beeinflusst. In einem zweiten Schritt wurden diese Hilfeverläufe durch die Auswertung von drei weiteren Fällen – hier wurden zu allen drei Erhebungszeitpunkten problemzentrierte Interviews mit narrativem Erzählimpuls geführt und mittels thematischen Kodierens ausgewertet – ergänzt, um letztendlich Hilfedeutungen aus Sicht junger Erwachsener darstellen zu können.

Durch den method(olog)ischen Umgang mit dem Material wurden Erkenntnisse hinsichtlich der biografischen Relevanz von Übergangshilfen, deren Prozesshaftigkeit und Deutungen in Biografien sowie der biografischen Nachhaltigkeit pädagogischer Hilfen herausgearbeitet. 


[1]http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/fb-453.pdf;jsessionid=9F83B4DDCF8E6255AADC5D334528F35E?__blob=publicationFile&v=2 (18.05.2017).

[2]Rosenthal; G. (2005): Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung (3., aktualisierte und ergänzte Auflage 2011). Weinheim/München: Juventa.

[3]Rosenthal (1995): Erlebte und erzählte Lebensgeschichte. Gestalt und Struktur biographischer Selbstbeschreibungen.  Frankfurt/Main: Campus.

[4]Spies, Tina (2017): Subjektpositionen und Positionierungen im Diskurs. Methodologische Überlegungen zu Subjekt, Macht, Agency im Anschluss an Stuart Hall. In: Tina Spies und Elisabeth Tuider (Hrsg.): Biographie und Diskurs. Methodisches Vorgehen und Methodologische Verbindungen. Wiesbaden: Springer VS, S. 69–90.

[5]Truschkat, Inga (2018): Diskurstheoretische Ansätze der Biographieforschung. In: Lutz, Helma/Schiebel, Martina/Tuider, Elisabeth (Hrsg.): Handbuch Biographieforschung, S. 128–138, Wiesbaden: Springer.

[6]Spies, Tina/Tuider, Elisabeth (2017): Biographie und Diskurs – eine Einleitung. In: Spies, Tina/Tuider, Elisabeth (Hrsg.): Biographie und Diskurs. Methodisches Vorgehen und Methodologische Verbindungen, S. 1–20. Wiesbaden: Springer.

[7]Bogner, Artur/Rosenthal, Gabriele (2017): Biographien – Diskurse – Figurationen. Methodologische Überlegungen aus einer sozialkonstruktivistischen und figurationssoziologischen Perspektive. In: Spies, Tina/Tuider, Elisabeth (Hrsg.): Biographie und Diskurs. Methodisches Vorgehen und Methodologische Verbindungen, S. 43–67. Wiesbaden: Springer.

Vorträge

  • Die (Ohn)Macht der Hilfe im Übergang– Ergebnispräsentation und Diskussion mit Wolfgang Schröer im Rahmen des Theorieworkshops des DFG-Graduiertenkollegs Doing Transitions an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. (05/2019)
  • Berliner Methodentreffen, aktive Teilnahme an der Forschungswerkstatt zur biografischen Fallrekonstruktion mit Gabriele Rosenthal. (07/2017)
  • Posterpräsentation im Rahmen der öffentlichen Veranstaltung Poster & Brezn des DFG-Graduiertenkollegs Doing Transitions an der Eberhard Karls Universität Tübingen. (05/2017)
  • Posterpräsentation auf der TagungTransitions in the Life Course. What do we know and what does it mean? Internationale Konferenz des DFG-Graduiertenkollegs Doing Transitions an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. (04/2017)
  • Aushandlungen und (Miss)Verständnisse relevanter Hilfe im Übergang Schule – Beruf. Vortrag im Rahmen der Jahrestagung der Kommission Sozialpädagogik der DGfE zu Praktiken der Ein- und Ausschließung in der Sozialen Arbeit in Tübingen. (04/2013)

Publikationen

  • Hirschfeld, H. (2021): Macht und Ohnmacht sozialpädagogischer Hilfe. Biografische Perspektiven auf pädagogisch begleitete Übergänge. Opladen, Berlin/Toronto: Barbara Budrich Verlag.
  • Ahmed, S./Hirschfeld, H./von Schwanenflügel, L./Zipperle, M./Walther, A./Wiezorek, C. (2015):  Eindeutige Unterscheidungen? Entgrenzungen zwischen Ein- und Ausschließung in bildungsbezogenen Hilfen für Kinder und Jugendliche. In: Kommission Sozialpädagogik (Hrsg.): Praktiken der Ein- und Ausschließung in der Sozialen Arbeit. Weinheim und Basel: Beltz Juventa, S.193–208.
  • Boockmann, B. (u. a.) (2015): Evaluation der Berufseinstiegsbegleitung nach § 421s SGB III – Abschlussbericht 2015 Vorgelegt vom Forschungskonsortium (IAW e.V. Tübingen, SÖSTRA GmbH Berlin, SOKO-Institut GmbH Bielefeld, Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen, Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung der Goethe-Universität Frankfurt/Main). Verfügbar unter: http://www.iaw.edu/tl_files/dokumente/fb_453_bereb.pdf
  • Walter, S./Hirschfeld, H. (2013): Relevanz von Beziehung als Grundlage der Übergangsberatung. In: Walther, A./Weinhardt, M. (Hrsg.): Beratung im Übergang.Weinheim: Beltz Juventa, S. 115–134.
  • Hirschfeld, H./Walter, S. (2013): Bildungspotentiale pädagogischer Beziehungen im Kontext von Benachteiligung. In: Ahmed, S./Pohl, A./von Schwanenflügel, L./Stauber, B. (Hrsg.): Bildung und Bewältigung im Zeichen sozialer Ungleichheit. Weinheim und Basel: Beltz Juventa, S. 163–186.
  • Boockmann, B. (u. a.) (2013): Evaluation der Berufseinstiegsbegleitung nach § 421s SGB III – Zwischenbericht 2013 Vorgelegt vom Forschungskonsortium (IAW e.V. Tübingen, SÖSTRA GmbH Berlin, SOKO-Institut GmbH Bielefeld, Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen, Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung der Goethe-Universität Frankfurt/Main). Verfügbar unter: http://www.iaw.edu/tl_files/dokumente/fb436_bereb_zb_2013.pdf

Mitgliedschaften

  • Promotionsstipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung (seit 10/2015)